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4. November 2019

Nachhaltigkeit in der regionalen Baustoffindustrie

Nachhaltigkeit in der regionalen Baustoffindustrie

Amélie Schulz schrieb vor dem Abitur eine ungewöhnliche Seminararbeit

 „Non vitae, sed scholae discimus“ – „Nicht für das Leben, für die Schule lernen wir“. Mit diesem Denkspruch hat der römische Gelehrte Seneca vor zwei Jahrtausenden die Praxisfeindlichkeit so mancher Philosophenschule seiner Zeit kritisiert. Populär als geflügeltes Wort jedoch wurde in unserer Zeit genau das Gegenteil, nämlich die Behauptung, das Leben sei das eigentliche Ziel des Lernens: „Non scholae, sed vitae discimus“ – „Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir“. Vielleicht hatte die Leitung der Klosterschule vom Heiligen Grab in Baden-Baden ja diese moderne Abwandlung der antiken Sentenz im Sinn, als sie den Schülerinnen und Schülern der Oberstufe die Möglichkeit bot, anstelle der mündlichen Prüfung im Abitur eine größere Seminararbeit zu verfassen und diese dann in einem Vortrag zu erläutern.

„Nachhaltigkeit“ sollte das Generalthema sein. Amélie Schulz jedenfalls nutzte diese Gelegenheit und schrieb über „Nachhaltigkeit in der regionalen Baustoffindustrie“. Es sei kein Zufall gewesen, dass sie gerade dieses Thema gewählt habe, erzählt Amélie. Natürlich sei sie familiär vorgeprägt; ihr Vater Daniel Schulz ist immerhin Geschäftsführer des KIWI-Mitgliedsunternehmens OHU - Oberrhein-Handels-Union GmbH & Co. KG. Aber der spiele in der Arbeit keine Rolle. Vielmehr sei sie durch ihre Besuche an den Baggerseen rund um Sandweier in Kontakt gekommen mit der Baustoffindustrie am Oberrhein. Und mit einem statistischen Gebrauch von 1 kg mineralischer Rohstoffe pro Stunde und Person stellten diese den größten Massenstrom überhaupt dar. Nur wüssten das die wenigsten.

Rohstoffgewinnung, Natur und Naherholung – wie das alles zusammengehe, habe sie einmal näher untersuchen wollen. Herausgekommen ist eine sehr klar strukturierte Arbeit, welche zunächst definiert, was man unter Baustoffen früher und heute versteht, wie und wofür sie verwendet und wie sie gewonnen werden. Insbesondere der Oberrhein und der Abbau von Kies und Sand spielen eine in diesem Zusammenhang wichtige Rolle. Anschließend geht die Untersuchung der Frage nach, was Nachhaltigkeit eigentlich ist und welche Bedeutung sie in der Baustoffindustrie hat.

Hier kommt etwa die regionale Gewinnung von Gesteinen ins Spiel; durch kurze Transportwege trägt sie zum Umwelt- und Klimaschutz bei – unnötiger CO2-Ausstoß wird vermieden. Eine große Bedeutung hätten Gewinnungsstätten für die Biodiversität, schreibt Amélie Schulz in ihrer Arbeit: „Tatsächlich ist es so, dass die Biodiversität nach einem solchen Prozess oftmals sogar höher ist als vor dem Eingriff, da in Lagerstätten oder Seen neue Lebensvielfalt entsteht und sich Lebensräume ausbreiten.“ Bei Baggerseen komme oftmals noch ein hoher Freizeitwert als Naherholungsgebiet hinzu, und das bereits während des Rohstoffabbaus. Inzwischen werden diese auch mehr und mehr als mögliche Stromlieferanten im Rahmen der Energiewende verstanden; erste schwimmende Solaranlagen sind in Deutschland bereits gebaut. Das Interesse der Industrie an Nachhaltigkeit jedenfalls sei groß und man lasse sich durch spezialisierte Überprüfungssysteme auch auditieren.

Um dies unter Beweis zu stellen, interviewte die Schülerin im praktischen Teil ihrer Arbeit Vertreterinnen und Vertreter von vier Firmen: vom Rohstoffunternehmen (EKS Eugen Kühl und Söhne GmbH & Co. KG) über eine Vertriebsgesellschaft (Oberrhein-Handels-Union GmbH & Co. KG) und ein Transportbetonunternehmen (Peterbeton, Rudolf Peter Gmbh & Co. KG) bis zum Hersteller von Betonsteinen (Kronimus AG). So konnte sie einen großen Teil einer typischen Gewinnungs- und Produktionskette beleuchten. Alle Unternehmen fragte sie nach der praktischen Bedeutung und Umsetzung von Nachhaltigkeit in ihrem Wirtschaftsalltag genauso wie nach den Grenzen, auf die sie stoßen.

Heraus kam ein durchaus differenziertes Bild. Bei allen befragten Firmen spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Sparsamer Umgang mit Energie gehört genauso dazu wie die Verwendung und die Herstellung langlebiger Produkte. Umweltfreundliche Transporte per Bahn oder Schiff kommen hinzu. Die Vermeidung von Überschussproduktion, das Recycling von Ausschuss oder der Einsatz moderner und möglichst umweltschonender Fahrzeuge und Maschinen sind weitere Elemente.

Grenzen, so wurde bei der Untersuchung deutlich, gibt es allerdings auch. Hier nannte das Rohstoffe produzierende Unternehmen vor allem den hohen Wettbewerbsdruck sowie langwierige und aufwändige Genehmigungsverfahren. Dem Handels- und dem Transportbeton-Unternehmen machen verschiedene Grenzwerte Sorgen, welche nur mit hohem Aufwand erreicht werden können. Und der Produzent von Betonwaren stößt physikalisch an Grenzen, wenn es um den Ersatz von Zement in seinen Produkten geht. Das alles teile man zwar den jeweiligen Kunden mit, nur seien die nicht identisch mit der großen Öffentlichkeit. Deshalb wüssten viele Menschen nichts oder nur recht wenig von den Nachhaltigkeitsaktivitäten der Baustoffindustrie.

Fazit der Arbeit in Beantwortung der Leitfrage „Geht die regionale Baustoffindustrie mit unserer Natur bei der Rohstoffgewinnung nachhaltig um?“: „Die Leitfrage lässt sich dann mit „ja“ beantworten, wenn alle Beteiligten dazu beitragen, Nachhaltigkeit möglich zu machen, aus Sicht der Produzenten durch immer bessere technische Verfahren, aus Sicht der Hersteller, Weiterverarbeiter und Verwender durch einen bewussten und sparsamen Umgang dieser Güter.“

Mehrere Monate hat Amélie Schulz an ihrer Untersuchung gearbeitet. Eine Arbeit zunächst für die Schule, ganz im Sinne des alten Seneca. Vielleicht aber lässt sich darüber hinaus  doch einiges fürs praktische Leben ableiten.