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9. März 2021

Politischer Winterdialog: Gemeinsam nach Wegen aus dem Rohstoff-Dilemma suchen

Kurz vor den Wahlen zum neuen baden-württembergischen Landtag hat die Initiative „KIWI Kieswirtschaft im Dialog am Oberrhein“ zu einem politischen Winterdialog geladen. Online zu Gast bei den Mitglieds-Unternehmerinnen und -Unternehmern waren die beiden Landtagsabgeordneten Thomas Hentschel und Dr. Markus Rösler (beide Bündnis 90 / Die Grünen). Sie nutzten die Gelegenheit, die Sorgen der Industrie anzuhören, konkret auf sie einzugehen und boten an, mit ihr gemeinsam nach Wegen aus dem Dilemma zwischen Bedarf an und Akzeptanz von Rohstoffen zu suchen.

Thomas Peter, Vorsitzender der Initiative KIWI, brachte es auf die Formel: „Die Dinge laufen nicht mehr zusammen!“ Am Beispiel seines Unternehmens verdeutlichte er die gravierenden Änderungen in den vergangenen Jahrzehnten: Der Umfang von Genehmigungsanträgen habe sich vervielfacht, und auch die Kosten für solche Verfahren seien explodiert, sagte er. Firmen einer gewissen Größenordnung müssten mit mehreren Millionen Euro in Vorlage treten, ohne die Garantie auf eine Abbaugenehmigung zu bekommen; dies könne auf Dauer nicht so bleiben. Kleine Unternehmen, so warnte Peter, hätten schon aufgegeben. An die Adresse der Grünen-Politiker stellte er die Frage, wie man sich auf Seiten ihrer Partei die Zukunft der Rohstoffindustrie vorstelle, zumal im Infrastruktur- und im Wohnungsbau enormer Sanierungs- und Neubaubedarf bestehe.

Thomas Hentschel, unter anderem Mitglied im Verkehrsausschuss des Landtages und Sprecher seiner Fraktion für E-Mobilität, zeigte sich problembewusst. Die Rohstoffindustrie gehöre zu den Grundbausteinen der Wirtschaft in Baden-Württemberg, sagte er. Zusammen mit seinen Parteifreunden wolle er alle an der Rohstoffgewinnung Beteiligten frühzeitig an einen Tisch holen: “Ich begleite Kies-Projekte am Oberrhein mit positivem Gestaltungswillen“, sagte der Abgeordnete des Wahlkreises Rastatt. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass trotz des hohen Bedarfs an Rohstoffen die Natur und ihr Erhalt nicht zu kurz kommen dürften.

Dr. Markus Rösler, der für die Bündnisgrünen im Landtag den Wahlkreis Vaihingen/Enz vertritt, stimmte dem zu. Er plädierte dafür, Abbaustätten sinnvoll in einen Biotopverbund zu integrieren. Rösler sprach sich außerdem dafür aus, längere Planungszeiträume beim Rohstoffabbau zu prüfen und damit auch der Industrie Perspektiven zu geben. Es sei sinnvoll, die rund 500 Abbaustätten im Land zu erhalten und ihre Anzahl nicht zu reduzieren, sagte er als Mitglied des Finanz- und des Umweltausschusses im Landtag. Er räumte gleichzeitig ein, dass man das Koalitionsziel, eine Rohstoffstrategie in dieser Legislaturperiode vorzulegen, nicht erreicht habe: „Das ist nicht zufriedenstellend“, sagte er wörtlich.

Beide Abgeordneten setzten sich konkret mit den Problemfeldern auseinander, welche von Seiten der Unternehmer geschildert wurden. Thema waren unter anderem die unguten Entwicklungen auf dem Transportsektor. Schiffs- und Bahntransporte seien schwieriger denn je, obwohl sie gerade jetzt mit Blick auf Treibhausgasemissionen besonders sinnvoll wären. Die KIWI-Vertreter kritisierten zudem  die Überlegungen der baden-württembergischen Verwaltung, spezielle Rohstoffe wie Phonolith aus weit entfernten Ländern wie der Türkei oder Norwegen einzuführen, um mit Blick auf Proteste aus der Bevölkerung einen regionalen Abbau zu vermeiden. Das sei weder nachhaltig noch gerecht.

Skeptisch blieben die Grünen-Politiker beim Thema Flächeninanspruchnahme. Hier hatte der KIWI-Vorsitzende Peter konkret vorgeschlagen, in Baggerseen die Wiederverfüllung mit dort gefördertem, aber nicht vermarktbarem Material zuzulassen. Er regte außerdem an, die Wiederaufforstung von durch Trockenheit und Borkenkäfer zerstörten Waldflächen als Kompensationsgebiete für die Kieswirtschaft anzuerkennen. Dies würde sowohl einer modernen Waldwirtschaft nutzen als auch die Landwirtschaft schonen, deren Ackerflächen dann für eine Wiederaufforstung ausgespart werden könnten. Mit Blick auf die Nutzung von Baggerseen zur Erzeugung erneuerbarer Energien durch Photovoltaik sprachen sich alle für die Nutzung mit Augenmaß mindestens für den Eigenbedarf der Kieswerke aus.

Thomas Peter wertete diesen ersten politischen Winterdialog der Initiative KIWI als vielversprechenden Ausgangspunkt für künftige Gespräche, um gemeinsam nach Wegen aus dem Rohstoff-Dilemma zu suchen.