Nutzung mit Folgen
Für die Gewinnung unserer dringend benötigten heimischen mineralischen Rohstoffe wird nur 0,2 Prozent der Gesamtfläche vorübergehend in Anspruch genommen. Das ist wenig und wird sich auch nicht ändern. Denn dort, wo die Rohstoffgewinnung abgeschlossen ist, müssen die Unternehmen der Steine- und Erdenindustrie den vorherigen Zustand wieder herstellen oder das Gelände in eine hochwertige Folgenutzung überführen. Die Möglichkeiten sind dabei vielfältig. Neben der land- und forstwirtschaftlichen Folgenutzung sind insbesondere freizeitorientierte Nutzungen oder die Flächenbereitstellung für den Natur- und Artenschutz von Bedeutung.
Dass die Rohstoffgewinnung nur vorübergehend die jeweiligen Flächen beansprucht und nach der Gesteinsgewinnung vielfältige Folgenutzungsmöglichkeiten entstehen, sollte bereits frühzeitig als Chance verstanden werden. Abhängig von der Größe der Abbaustätte können auch Nutzungskombinationen aufeinander abgestimmt werden.
Schon während der Gesteinsgewinnung werden die bereits aus der Nutzung genommenen Areale renaturiert oder rekultiviert. Dabei liegt ein Schwerpunkt bei allen Varianten der Folgenutzung (Land- und Forstwirtschaft, Freizeit etc.) bei der Integration von Naturschutzzielen.
Maßgeblich wird die Folgenutzung vom Abbauvorhaben selbst beeinflusst, insbesondere von folgenden Faktoren:
- Größe der Abbaustätte,
- Gewinnung von Lockergestein im Trocken- und/oder Nassabbau oder Gewinnung von Festgestein sowie
- Umfeld der Abbaustätte.
Weiterhin beeinflussen die gesetzlichen Rahmenbedingungen die Folgenutzungsart, lassen aber auch Spielräume für die Ausgestaltung. Wichtige gesetzliche Regelungen sind z.B. die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die Regelungen der Walderhaltung nach dem Landeswaldgesetz. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung schreibt die Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft vor. Unvermeidbare Beeinträchtigungen sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz durch Förderung natürlicher Sukzession, Renaturierung, naturnahe Gestaltung, Wiedernutzbarmachung oder Rekultivierung auszugleichen. Das Landeswaldgesetz Baden-Württemberg (LWaldG) schreibt vor, dass die Fläche innerhalb einer bestimmten Frist wieder aufzuforsten ist. Die Regelungen der Walderhaltung nehmen großen Einfluss auf die Folgenutzung, jedoch können auch nicht-forstwirtschaftliche Interessen in der Rekultivierungsplanung berücksichtigt werden. Auch der hohe Wert für den Arten- und Biotopschutz findet darin mittlerweile große Beachtung.
Renaturierung
Die Bedeutung renaturierter Steinbrüche und Kiesgruben in einer sonst intensiv bewirtschafteten Landschaft ist von besonderer Bedeutung. Diese Flächen dienen als Rückzugsgebiete zahlreicher seltener Arten und aufgrund der dezentralen Struktur der Steine- und Erdenindustrie auch als Trittsteinbiotope. Aber auch Baggerseen sind nicht nur beliebte Anziehungspunkte für Badegäste, sondern bieten einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen günstige Lebensbedingungen, die geeignet sind, ungestörte Rückzugsräume für aquatische und amphibische Lebensgemeinschaften bereitzustellen.
Der Begriff Renaturierung umschreibt die Herstellung eines naturnahen Zustandes bestimmter Lebensräume unter weitgehendem Ausschluss von Nutzungseinflüssen. Die Renaturierung dient in besonderem Maße den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, d.h. durch Umsetzung bestimmter Maßnahmen soll ein naturnaher Zustand charakteristischer Lebensräume etabliert werden. Oftmals sind die im Zuge der Rohstoffgewinnung entstanden Sekundärbiotope Ausgangspunkt für die Renaturierung der Flächen.
Renaturierungsmaßnahmen haben im letzten Jahrzehnt insbesondere deshalb ein größeres Gewicht erhalten, da Monitoring-Maßnahmen belegen, dass Abbaustätten schon während der Gesteinsgewinnung wichtige Lebensräume für Tiere und Pflanzen darstellen. Ein weiterhin voranschreitendes Umdenken findet dahingehend statt, dass die Chancen für die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Vielfalt, auch vor dem Hintergrund der Einrichtung eines landesweiten Biotopverbunds oder des Klimawandels und der damit verbundenen Artenverschiebungen genutzt werden können.
Ein großer Anteil ehemaliger Abbauflächen wird heute unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten renaturiert oder sich selbst überlassen. Die Unternehmen der Steine- und Erdenindustrie legen großen Wert auf eine hochwertige Folgenutzung der Abbaustätten im Sinne des Naturschutzes, denn für die Unternehmen ist der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur ein wichtiger Faktor für die langfristige Standortsicherung. Die am Standort konsequent umgesetzten Rekultivierungs- und Renaturierungsmaßnahmen schaffen Vertrauen und tragen maßgeblich dazu bei, dass die unternehmerischen Entscheidungen sowohl von der Öffentlichkeit als auch von den Verwaltungsbehörden akzeptiert und unterstützt werden.
Biotope für seltene Tiere und Pflanzen
Seit Ende der 1970er Jahre gibt es die Erkenntnis, dass stillgelegte Abbauflächen wichtige Funktionen für den Biotop- und Artenschutz übernehmen können. Aufgelassene Steinbrüche weisen hohe Artenzahlen und einen hohen Anteil gefährdeter Pflanzen- und Tierarten auf. Eng verzahnt treten verschiedenste Ausbildungen von Biotoptypen auf, die häufig gefährdet, bedroht und selten sind. Ursache dieser Vielfalt sind die lang anhaltenden Entwicklungszeiten, die wenig durch den Menschen beeinflusst bzw. gestört werden. Dadurch ist eine große Standorts- und Strukturvielfalt entstanden.
Dass diese Erkenntnis auch für betriebene Abbaustätten gilt, konnte durch Arbeiten der letzten zwei Jahrzehnte eindrücklich und auf breiter fachlicher Basis belegt werden. Die in Betrieb befindlichen Abbauflächen sind charakterisiert durch sehr hohe Tier- und Pflanzenartenzahlen, von denen zahlreiche Arten gefährdet sind. Die Werte sind häufig vergleichbar bzw. sogar höher als in den meisten Biotopen des Umfelds. Ursächlich verantwortlich hierfür sind im Wesentlichen drei besondere Eigenschaften von Abbaustätten: die Nährstoffarmut, die Vielfalt an Lebensräumen und die hohe Standortsdynamik. Diese drei Eigenschaften sind in unserer modernen Kulturlandschaft nur noch selten solo und noch seltener als Trio anzutreffen.
Durch diese Erkenntnisse hat sich das Bild von Abbaustätten im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt. Es ist deutlich geworden, dass der ökologische Wert der Lebensräume, die in Baggerseen, Kiesgruben und Steinbrüchen entstehen, höher sein kann als derjenige der dort zuvor vorhandenen Lebensräume. Bei gutem Management während und nach der Gewinnungsphase können diese sich sogar zu regelrechten Hotspots der Artenvielfalt entwickeln. Der Anteil seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten an dieser Vielfalt ist oftmals besonders hoch.
Die Schaffung bzw. Erhaltung von Rohbodenstandorten, Wanderbiotopen oder Biotopvernetzungselementen sind wichtige strategische Bestandteile eines modernen und dynamischen Naturschutzes. Schon heute sichern viele Betreiber von Abbaustätten den Lebensraum für viele Boden- und Felsenbrüter, wie z.B. Kolkrabe, Uhu, Flussregenpfeifer, Bienenfresser oder Wanderfalke. Ebenso werden Lebensräume für viele gefährdete Amphibien- und Reptilienarten geschaffen und erhalten, z.B. für Kammmolch, Wechselkröte oder die Gelbbauchunke. Zahlreiche weitere „Charakterarten“ der Abbaustätten sind außerhalb dieser Lebensräume hochgradig gefährdet.
Freizeit, Naherholung und Naturerlebnisräume
Bei der Ermittlung hochwertiger, sachgerechter Rekultivierungen liegt es auf der Hand, dass die Möglichkeiten für die Naherholung und den Tourismus einbezogen werden. Die Folgenutzungen in Abbaustätten sind insgesamt sehr vielfältig und in unterschiedlichen Kombinationen anzutreffen. Die Folgenutzung „Freizeit und Erholung“ bietet dabei eine besondere Vielfalt.
Viele Abbauflächen bieten die Chance, Erholungs- und Erlebnisfunktionen auszubauen oder eine touristische Nutzung anzustreben. Gerade Baggerseen spielen eine wichtige Rolle für die Naherholung. Klares, oft azurblaues Wasser lädt zum Schwimmen und Wassersport ein, das angrenzende Kies- oder Sandufer zum Sonnenbaden. Hier gibt es zahlreiche attraktive Folgenutzungsbeispiele, die von einfachen Badeseen oder gar komplexen Marina-Entwicklungen hin zu Angelsport, Wasserski, neuen Trendsportarten wie das Wakeboarden oder gar Ferienhausanlagen für das „Wohnen am See“ reichen.
Auch beim Trockenabbau sind die Entwicklungsmöglichkeiten vielfältig. Zu nennen sind insbesondere Klettersport, Fossilien sammeln, Motocross- und/oder Mountainbikestrecken oder auch Einbindung der Flächen in Wanderwegkonzepte.
Viele Flächen beten die Chance zur Umsetzung weiterer Erlebnisfunktionen. Die Entwicklungsoptionen sind hierbei vielfältig und reichen von kleinflächigen Einblicken in die Erdgeschichte bis zur Integration in großräumige Konzepte, z.B. Einbettung der geologischen Aufschlüsse in einen Geopark. Die Einbindung in Umweltbildung, Naturerlebnis und geowissenschaftliche Nutzungen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Geologische Lehrpfade, die Kombination von Naturschutz mit Naturerlebnis und Umweltbildung, die Darstellung unterschiedlicher Geländeformen als Lernorte und Naturerlebnisräume sind immer häufiger anzutreffen.